Fidigit - BVG-Reform – Anstehende Abstimmung am 22. September 2024
Nachdem die Reform der AHV seit Anfang dieses Jahres erste Wirkungen entfaltet, steht bereits die nächste grosse Abstimmung im Zusammenhang mit Sozialversicherungen an. Im März 2023 hat das schweizerische Parlament die Reform der beruflichen Vorsorge verabschiedet. Gegen diese Reform wurde das Referendum ergriffen und am 22. September dieses Jahres kommt die Reform der beruflichen Vorsorge vor das Volk. Unser Beitrag hier soll einen Überblick über die wichtigsten Aspekte der Reform bieten. Wir werden die Thematik weiterverfolgen und Sie rechtzeitig über allfälligen Handlungsbedarf aus treuhänderischer Sicht, oder in Bezug auf Ihre Abacus-Installation informieren.
Die BVG-Reform soll die Finanzierung der beruflichen Vorsorge stärken, das Leistungsniveau insgesamt vergleichbar halten und die Absicherung von Teilzeitbeschäftigten verbessern. Die Umsetzung dieser drei Stossrichtungen soll insbesondere durch fünf Massnahmen sichergestellt werden. Wir verschaffen uns nachfolgend einen Überblick und ziehen am Ende des Artikels ein erstes Fazit.
Senkung des Mindest-Umwandlungssatzes auf 6.0 Prozent
Eine erste Massnahme dient der Stärkung der Finanzierung der beruflichen Vorsorge. Der Umwandlungssatz wird herangezogen, um das angesparte Altersguthaben in eine lebenslange Altersrente umzuwandeln. Heute beträgt der Umwandlungssatz mindestens 6.8 Prozent. Ein Umwandlungssatz von 6.8 Prozent führt daher zu einer lebenslangen Rente von CHF 6'800 pro CHF 100'000 angespartem Alterskapital.
Der Umwandlungssatz soll nun auf 6.0 Prozent gesenkt werden. Hintergrund dieser angestrebten Änderung ist die steigende Lebenserwartung. Bei der Einführung der beruflichen Vorsorge im Jahr 1985 betrug die durchschnittliche Lebenserwartung für Schweizerinnen und Schweizer nach Erreichen des Rentenalters 18 Jahre. Heute beträgt die durchschnittliche Lebenserwartung 23 Jahre, womit das angesparte Vorsorgekapital fünf Jahre länger ausreichen muss.
Diese Entwicklung kam nicht über Nacht. Die Lebenserwartung ist über die vergangenen Jahrzehnte stetig leicht angestiegen, die Problematik ist also nicht neu. Wie wurde also in den vergangenen Jahren die längere Lebenserwartung finanziell überbrückt? Das Stichwort hier lautet Umverteilung. Diese ist in der beruflichen Vorsorge aber gar nicht vorgesehen.
Die mittlerweile fünf zusätzlichen Jahre Lebenserwartung müssen finanziert werden, da das BVG lebenslange Renten vorsieht. Die Finanzierung kann also nur zu Lasten der aktiv Versicherten unterstützt werden. Dies geschieht entweder durch eine tiefere Verzinsung der Altersguthaben, und/oder durch höhere Risikoprämien. Dies kommt einer indirekten Umverteilung zwischen Erwerbstätigen und Rentnern gleich, die in der ersten Säule absolut vorgesehen ist, in der zweiten Säule aber sicher nicht.
Reduktion des Koordinationsabzugs
Die Reduktion des Koordinationsabzugs kommt insbesondere tieferen und mittleren Einkommen zugutekommen und zielt damit auch auf eine Verbesserung der Absicherung von Teilzeitbeschäftigten ab. Der Koordinationsabzug ist heute abhängig von der AHV-Maximalrente und beträgt sieben Achtel der einfachen AHV-Maximalrente (CHF 25'725 im 2024).
Zur Erinnerung: Der Koordinationsabzug beugt der doppelten Absicherung von Einkommen im Alter vor, in dem Einkommensanteile, die bereits über die AHV versichert sind, von der Absicherung durch die BVG ausgenommen werden. Sprich zur Koordination mit der ersten Säule wird in der zweiten Säule nicht der gesamte Lohn versichert.
Initial entsprach der Koordinationsabzug dem Betrag der einfachen maximalen AHV-Rente. Im Jahr 2005 wurde bereits ein erster Schritt zur Begünstigung von niedrigen Einkommen unternommen, indem der Koordinationsabzug auf 7/8 der AHV-Maximalrente reduziert wurde. Die BVG-Reform sieht nun vor, den Koordinationsabzug von der AHV-Maximalrente loszulösen und auf 20% des AHV-Lohnes anzupassen. Damit könnten insbesondere Arbeitnehmende mit tiefen Einkommen sowie Teilzeitmitarbeitende mehr Geld in der beruflichen Vorsorge ansparen.
Vereinfachung und Vereinheitlichung Altersgutschriften
Die nächste Massnahme dient einerseits der Haltung des Leistungsniveaus, soll aber auch der Attraktivität von älteren Arbeitnehmenden zugutekommen. Heute sieht die berufliche Vorsorge abgestufte Altersgutschriften vor, die für Mitarbeitende zwischen 25 und 34 Jahren eine Altersgutschrift von 7% vorsieht; im Alter von 35 bis 44 Jahren eine Gutschrift von 10%; zwischen 45 und 55 Jahren von 15% und im letzten Beschäftigungsjahrzehnt eine Altersgutschrift von 18%. Dieses System macht heute ältere Arbeitnehmende spürbar «teurer» als jüngere Arbeitnehmende.
Neu soll für Versicherte im Alter von 25 bis 44 Jahren eine Altersgutschrift von 9% und im Alter von 45 bis 65 Jahren von 14% des BVG-pflichtigen Lohnes gelten.
Übergangsbestimmungen für die Übergangsgeneration
Für die akut betroffene Übergangsgeneration sieht das Reformpaket – wie dies bei solchen Reformen absolut üblich ist – Massnahmen vor, die die negativen Effekte begrenzen. Vorliegend wird mit einem Rentenzuschlag gearbeitet, der das Ziel verfolgt, die bisherigen Leistungen auch für die Übergangsgeneration grösstenteils zu erhalten.
Betrachtet man ein ganzes Beitragsleben, so wird die Reduktion des BVG-Mindestumwandlungssatzes für die meisten tieferen und mittleren Einkommen zu einem grossen Teil durch die Reduktion des Koordinationsabzuges und die Anpassung der Altersgutschriften kompensiert. Für diejenigen Erwerbstätigen, die von der Reform betroffen sind, aber bereits bald das Referenzalter erreichen, ist aber für diese Kompensation zu wenig Zeit verfügbar. Daher ist auch in der vorliegenden BVG-Reform ein Massnahmenpaket für die Übergangsgeneration enthalten.
Das Parlament hat eine Lösung erarbeitet, in welchem der Rentenzuschlag vom Jahrgang und vom angesparten Altersguthaben abhängig gemacht wird. Die betroffenen Jahrgänge erhalten einen Rentenzuschlag von maximal CHF 2'400 (voller Zuschlag für die ersten fünf betroffenen Jahrgänge) bis CHF 1'200 (voller Zuschlag für die letzten fünf betroffenen Jahrgänge mit Pensionierung in 11-15 Jahren), sofern ihr Altersguthaben bei der Pensionierung nicht mehr als das 2.5-fache des maximal versicherten Jahreslohns von CHF 220'500 beträgt. Versicherte, die zum Pensionierungszeitpunkt ein Vorsorgeguthaben von mehr als CHF 441'000 verfügen, erhalten keinen Rentenzuschuss. Vorsorgeguthaben, die zwischen diesen Beträgen liegen führen zu einem reduzierten Rentenzuschuss.
Senkung der Eintrittsschwelle
Die letzte vorgesehene Massnahme senkt die Mindestschwelle, die das Einkommen überschreiten muss, um in der beruflichen Vorsorge versicherbar zu sein. Die Reform sieht eine Senkung der Eintrittsschwelle von aktuell CHF 22'050 auf neu CHF 19'845 vor. Das tönt nicht nach viel Reduktion, führt aber gemäss Daten des schweizerischen Versicherungsverbands zu rund 70'000 Arbeitnehmenden, die neu in der beruflichen Vorsorge versichert werden können und zusätzlich zu 30'000 Mehrfachbeschäftigten, die dadurch zusätzliche Einkommen versichern können. Diese Massnahme führt damit zu einer Verbesserung der Deckung für diese Personen, oder macht eine Absicherung über die berufliche Vorsorge erst überhaupt möglich. Allen anderen Versicherten ermöglicht die Senkung der Eintrittsschwelle ein höheres versichertes Einkommen.
Fazit
Nach der AHV-Reform ist vor der BVG-Reform. Die schweizerischen Sozialversicherungen hatten grossen Handlungsbedarf, um deren Funktionieren auch für die künftigen Generationen sicherstellen zu können. Mit der AHV-Reform, die seit Anfang des Jahres in Kraft ist, konnte ein wichtiger Schritt für die erste Säule genommen werden. Für die berufliche Vorsorge, sprich für die zweite Säule der schweizerischen Sozialversicherungen sind korrigierende Massnahmen ebenfalls überfällig. Die vorliegende BVG-Reform setzt aus Sicht des Autors an den richtigen Stellen an. Es gilt, die konkrete Umsetzung zu verfolgen und Schlüsse für Ihr Unternehmen daraus zu ziehen. Wir sprechen gerne mit Ihnen darüber.
Über den Author:
Dominic Müller ist bei Fidinam für die Geschäftsentwicklung des Treuhandgeschäftes verantwortlich. Er hat an der Universität Bern Jura studiert und seine gesamte bisherige Karriere in der Beratung und im Outsourcing für nationale und internationale Kunden verbracht. Seine Schwerpunkte liegen in den Bereichen Personalwesen, Lohnbuchhaltung, Datenschutz und Digitalisierung.